Banner Deutsches Turnfest, München 1998
Titel
Banner Deutsches Turnfest, München 1998
Haupttext
Was sagt uns heute noch ein Banner zum Deutschen Turnfest 1998 in München? Anscheinend ist es nur noch eine Erinnerung an ein stattgefundenes Turnfest. Gibt es bei einem Turnfest also nur sportliche Bezüge oder auch andere – z.B. politische Bezüge?
Diese Frage muss deutlich bejaht werden, wenn wir an die Diskussionen um die Kapitänsbinden bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar denken. Ist das dann nur ein neuzeitlicher politischer Bezug aus dem Jahr 2022 oder woher stammt er?
Die ersten Turnfeste stammen aus den 1840er Jahren. Die Übungs- und Wettkampfprogramme ließen sich einteilen in die Darstellung und Werbung für eine gemeinsame Idee, die Weiterentwicklung des Turnens durch Fortbildung und Anregung sowie in Wettkämpfe. Gleichzeitig waren sie aber auch eine Demonstration für die nationalpolitischen Forderungen der Turner nach Einheit und Freiheit.
Die Turner Württembergs und Badens gehörten zu den eifrigsten Verfechtern der Revolution von 1848. Durch Turnen wollten sie sich an Körper und Geist für den Kampf gegen die Tyrannen rüsten. Sie alle standen im Zusammenhang mit einer breiten Volksbewegung und ihrer Forderung nach bürgerlichen Freiheiten und nationaler Einheit. Die Träger dieser Turnvereinsbewegung waren nicht mehr, wie zu Turnvater Jahns Zeiten, nur Schüler, Studenten und Intellektuelle, sondern Handwerker, Lehrer, Pfarrer, Anwälte und Ärzte.
Turnen bedeutete dabei mehr als Leibesübungen und Bewegungen an Turngeräten, sondern Turnen war eine Form der Freizeitverbringung, Bildung und Unterhaltung junger Männer aus eher mittleren und unteren Schichten im Vormärz. Sie bestand aus Leibesübungen und Bewegungsspielen, aber auch aus gemeinsamen Wanderungen, aus dem gemeinsamen Singen, meistens patriotischer Lieder, allgemein aus der Pflege von Gemeinschaft und – wie später die Arbeiterturner sagten – Solidarität, und schließlich auch aus dem Reden und Diskutieren über politische Themen.
Das Turnen in den Turnvereinen des Vormärz bekam deshalb einen umstürzlerischen, revolutionären Charakter, weil erstens neue, demokratische Formen im Zusammenleben des Volkes entwickelt und gelebt wurden, und weil sich die Turner und Vertreter der Turnvereine von Anfang an im überregionalen und sogar nationalen Rahmen verständigten und trafen.
Besonders deutlich wird diese Idee in den während des Turnfestes 1845 in Reutlingen geäußerten Worten von Theodor Georgii: „Es dünkt mir das höchste an unserer Sache, es ist das gleichmachende, wenn ihr wollt demokratische Element, dass alle sich fühlen als Brüder, als Kämpfer für eine Sache, für’s Vaterland. (…) Die Turnerei hat die Aufgabe, nach Körper und Geist natürliche und kräftige Menschen zu bilden, hierbei ist die Teilnahme an der Politik nicht ausgeschlossen, sie wird sich im Gegenteil mit starkem Maß von selbst ergeben.“ (abgedruckt in Georgii, 1885, S. 160).
Politisch ist hieran zweierlei: erstens das Bekenntnis zur Gleichheit, das demokratische Element, und zur Brüderlichkeit oder zum Brudersinn, wie die Turner auch sagten, also zur Gemeinschaft und zur gegenseitigen Unterstützung der Turngenossen; und zweitens das große politische Ziel des Vaterlands.
Um den Kreis zu schließen, gilt das nicht nur für württembergische und badische Turnvereine, die im Vormärz gegründet wurden, sondern auch für die Wittener Turngemeinde e. V., die 1848 gegründet wurde und damit im westfälischen Raum einer der ältesten Turnvereine ist. Aus ihm stammten auch die ersten Förderer für das dem liberalen Politiker Louis Constanz Berger und Mitbegründer der Turngemeinde geplante Berger-Denkmal auf dem Hohenstein.
Die Idee, dass Turnen und Sport um ihrer selbst willen betrieben werden, in erster Linie der ganzheitlichen Bildung und Erziehung des Menschen dienen und deshalb auch unabhängig vom Staat in Form von Vereinen zu organisieren sind, geht auf die freiheitliche und liberale Turnbewegung des Vormärz zurück. Von dieser Grundlage aus können sich Turner und Sportler für Freiheit und Eigenverantwortung, für Bürgerrechte und bürgerschaftliche Verantwortung, für ganzheitliche Bildung und soziales Miteinander einsetzen.
Diese Frage muss deutlich bejaht werden, wenn wir an die Diskussionen um die Kapitänsbinden bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar denken. Ist das dann nur ein neuzeitlicher politischer Bezug aus dem Jahr 2022 oder woher stammt er?
Die ersten Turnfeste stammen aus den 1840er Jahren. Die Übungs- und Wettkampfprogramme ließen sich einteilen in die Darstellung und Werbung für eine gemeinsame Idee, die Weiterentwicklung des Turnens durch Fortbildung und Anregung sowie in Wettkämpfe. Gleichzeitig waren sie aber auch eine Demonstration für die nationalpolitischen Forderungen der Turner nach Einheit und Freiheit.
Die Turner Württembergs und Badens gehörten zu den eifrigsten Verfechtern der Revolution von 1848. Durch Turnen wollten sie sich an Körper und Geist für den Kampf gegen die Tyrannen rüsten. Sie alle standen im Zusammenhang mit einer breiten Volksbewegung und ihrer Forderung nach bürgerlichen Freiheiten und nationaler Einheit. Die Träger dieser Turnvereinsbewegung waren nicht mehr, wie zu Turnvater Jahns Zeiten, nur Schüler, Studenten und Intellektuelle, sondern Handwerker, Lehrer, Pfarrer, Anwälte und Ärzte.
Turnen bedeutete dabei mehr als Leibesübungen und Bewegungen an Turngeräten, sondern Turnen war eine Form der Freizeitverbringung, Bildung und Unterhaltung junger Männer aus eher mittleren und unteren Schichten im Vormärz. Sie bestand aus Leibesübungen und Bewegungsspielen, aber auch aus gemeinsamen Wanderungen, aus dem gemeinsamen Singen, meistens patriotischer Lieder, allgemein aus der Pflege von Gemeinschaft und – wie später die Arbeiterturner sagten – Solidarität, und schließlich auch aus dem Reden und Diskutieren über politische Themen.
Das Turnen in den Turnvereinen des Vormärz bekam deshalb einen umstürzlerischen, revolutionären Charakter, weil erstens neue, demokratische Formen im Zusammenleben des Volkes entwickelt und gelebt wurden, und weil sich die Turner und Vertreter der Turnvereine von Anfang an im überregionalen und sogar nationalen Rahmen verständigten und trafen.
Besonders deutlich wird diese Idee in den während des Turnfestes 1845 in Reutlingen geäußerten Worten von Theodor Georgii: „Es dünkt mir das höchste an unserer Sache, es ist das gleichmachende, wenn ihr wollt demokratische Element, dass alle sich fühlen als Brüder, als Kämpfer für eine Sache, für’s Vaterland. (…) Die Turnerei hat die Aufgabe, nach Körper und Geist natürliche und kräftige Menschen zu bilden, hierbei ist die Teilnahme an der Politik nicht ausgeschlossen, sie wird sich im Gegenteil mit starkem Maß von selbst ergeben.“ (abgedruckt in Georgii, 1885, S. 160).
Politisch ist hieran zweierlei: erstens das Bekenntnis zur Gleichheit, das demokratische Element, und zur Brüderlichkeit oder zum Brudersinn, wie die Turner auch sagten, also zur Gemeinschaft und zur gegenseitigen Unterstützung der Turngenossen; und zweitens das große politische Ziel des Vaterlands.
Um den Kreis zu schließen, gilt das nicht nur für württembergische und badische Turnvereine, die im Vormärz gegründet wurden, sondern auch für die Wittener Turngemeinde e. V., die 1848 gegründet wurde und damit im westfälischen Raum einer der ältesten Turnvereine ist. Aus ihm stammten auch die ersten Förderer für das dem liberalen Politiker Louis Constanz Berger und Mitbegründer der Turngemeinde geplante Berger-Denkmal auf dem Hohenstein.
Die Idee, dass Turnen und Sport um ihrer selbst willen betrieben werden, in erster Linie der ganzheitlichen Bildung und Erziehung des Menschen dienen und deshalb auch unabhängig vom Staat in Form von Vereinen zu organisieren sind, geht auf die freiheitliche und liberale Turnbewegung des Vormärz zurück. Von dieser Grundlage aus können sich Turner und Sportler für Freiheit und Eigenverantwortung, für Bürgerrechte und bürgerschaftliche Verantwortung, für ganzheitliche Bildung und soziales Miteinander einsetzen.
Kurzbeschreibung
Deutsches Turnfest, München 1998. Wir sind dabei! / Stadtwappen von München
bearbeitet von (externe Texte)
Hardy Priester
Bezug zu anderen Objekten und Themen
Alefsen, Lutz: Die Wettkämpfe im Wandel der Zeiten. o. O. + J., S. 49-53.
Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808-1847). München 1984.
Elias, Norbert: Über den Prozess der Zivilisation. Frankfurt 1976.
Georgii, Theodor. Aufsätze und Gedichte. Eine Sammlung. Hof 1885.
Krüger, Michael: Körperkultur und Nationsbildung. Schorndorf 1996.
Krüger, Michael / Wittmann, Florian: Turnen und Sport im Kaiserreich: Aufbruch in die Moderne? In: Stadion 46 (2), S. 224-258.
Langewiesche, Dieter: „Nation“ und „Nationalstaat“. Zum Funktionswandel politisch-gesellschaftlicher Leitideen in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert. In: Busch, F. W. (Hrsg.): Perspektiven gesellschaftlicher Entwicklung in beiden deutschen Staaten. München 1989.
Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808-1847). München 1984.
Elias, Norbert: Über den Prozess der Zivilisation. Frankfurt 1976.
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Krüger, Michael: Körperkultur und Nationsbildung. Schorndorf 1996.
Krüger, Michael / Wittmann, Florian: Turnen und Sport im Kaiserreich: Aufbruch in die Moderne? In: Stadion 46 (2), S. 224-258.
Langewiesche, Dieter: „Nation“ und „Nationalstaat“. Zum Funktionswandel politisch-gesellschaftlicher Leitideen in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert. In: Busch, F. W. (Hrsg.): Perspektiven gesellschaftlicher Entwicklung in beiden deutschen Staaten. München 1989.
Zitat
“Banner Deutsches Turnfest, München 1998,” Heimat Reloaded, accessed 17. Mai 2025, https://fdz.bib.uni-mannheim.de/heimat-reloaded/items/show/14.